WOLKENSCHIEBEREI
Jetzt wo das Ding mit dem Ball wieder läuft, vergessen die Menschen schon fast wie das mit dem wettern geht. Gut, da war der Sturm, aber den hat die Sonne Brasiliens nun mittlerweile weggestrahlt. Nur für gewöhnlich ist das Wetter der Bock für Alles. Nicht, daß es noch vieles mehr gebe, worüber es sich vorzüglich erhitzen ließe: die übrig gebliebenen Baumreste nach der Verwüstung, die Fußgänger, die zu langsam über den Zebrastreifen schlendern oder die Sturmjournalisten. Denn, die Sache mit dem Wetter ist die, daß es den meisten Menschen nie Recht machen wird und kann. Und selbst die Klimaveränderung wird durch die Änderung des Wetters nichts daran ändern, daß wir nicht nicht schimpfen werden, in erster Linie aber zunächst über die Klimakatastrophe an sich. Also wie jetzt, mit Brasilien, nur mit globaler Fahne.
Viele Menschen ergeben sich diesem Unrecht für eine lange Zeit ihres Lebens und verharren in einer ewigen Nörgelsuche. Sie moppern über die nicht vorhergesagte Sommerluft, sie meckern über die ausbleibende Wärme, sie erzürnen sich über die Himmelvertretungsakkrobatik in Form von ungewollten Schauern und anschließenden Dunstwolken, die sich schwerwiegend auf die Haut und über den Tag legen. Saison für Saison, Wechsel für Wechsel, Jahr für Jahr. Tag für Tag leben sie mal mit großen, mal mit kleinen Empörungen über Dinge, die nicht sind, wie sie sein sollten, man weiß ja schließlich ganz genau, wie alles sein muss, und ereifern sich schon mal vorsorglich über die Dinge, die da morgen ganz bestimmt dann kommen müssen. Ich habe auch eine beachtliche Zeit meines bisherigen Lebens gesucht, verkrampft die Lösung für all meine Probleme versucht zu finden, und war täglich enttäuscht, ob des fehlenden Erfolges und Glücksgefühls. Ich war verärgert und entkräftet, weil sich meine Wunschvorstellung nicht einlösen wollte. Eines Tages auf der Matte habe ich verstanden, daß diese Wollen eventuell gar nichts bringt, außer die Gewissheit der Ernüchterung und einer murmeltiergrüßenden Leidenszeit.
Ich habe begriffen das Leben wie einen täglichen Glückskeks zu nehmen, nur ohne das fiebern, eine erlösende Weissagung auf Thermopapier zu finden, die güldene Wonka Eintrittskarte in ein besseres Leben. Ändern kann ich es ohnehin nicht, der neue Tag wird ja kommen. Es ist seitdem eigentlich ganz leicht: Nichts ist so wie es scheint und im Hier und Jetzt eingekehrt zu sein, ohne im gestern zu wurzeln und mit dem YPS-Zaubergimmick um die Ecke gen Morgen zu lugen und die täglichen Überraschungen, das Unerwartete zu erleben, das Loslassen und Eintauchen in die tägliche Gewöhnung und Akzeptanz des Momentes, bereitet mir seitdem ein sehr wohliges Gefühl in der Brust, auch in und für die Zeiten der stärkeren Winde.
Hier bleib ich jetzt.